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Willkommen im Labor

By 7. Dezember 2021Blog

Willkommen im Labor

Mit den Bedingungen, die ich in einem Labor erschaffe, kultiviere ich einen Organismus, ich gebe ihm eine Kultur. Eine künstlich geschaffene Umwelt, in der ein Organismus heranwächst und zeigt, wie er auf Veränderungen reagiert. So kann ich als Versuchsleiter seine Bedürfnisse erkennen, was er braucht und auch das, was er bereit ist zu tun, um sie zu befriedigen.

Umgekehrt erkenne ich, was er nicht mag, was er vermeiden möchte und wie er es anstellt, um sich davor zu drücken. Die Erkenntnisse ergeben einen Einblick, unter welchen Bedingungen der Organismus optimal gezüchtet werden muss, aber sie zeigen auch die Möglichkeiten auf, wie er gezielt zu beeinflussen wäre, um bestimmte Reaktionen hervorzubringen.

So werden seit Jahren beim Bakterienstamm E-Coli ganz bestimmte Bedingungen erzeugt, unter denen E-Coli dann für uns in seinem Stoffwechsel Substanzen herstellt, die wir gerne hätten. E-Coli wird also überlistet und produziert etwas, das es unter natürlichen Bedingungen nie tun würde. Das Prinzip der Leihmutter fällt mir da spontan ein. Welchen „Anreiz“ muss wohl ein E-Coli haben, damit es sich dafür hergibt, etwas zu tun, was seiner Natur widerspricht?

Aus meiner eigenen Arbeit im Labor mit Pflanzen -und Bakterienkulturen kenne ich folgende Vorgehensweise: Bei Bakterienkulturen erforscht man zunächst, welche Bedingungen ein Bakterienstamm benötigt um zu wachsen. Dazu lässt man sie sich frei entfalten und beobachtet. Habe ich mir einen groben Überblick verschafft, wie die Kultur sich verhält, kommt die Entscheidung: Welches Ergebnis möchte ich erzielen?  Möchte ich die Organismen herausfiltern, die unter ausgesuchten Bedingungen leben können, oder möchte ich Organismen isolieren, die bestimmte, erwünschte Eigenschaften/ Merkmale besitzen?

Nehmen wir einmal die Bedingungen als den Maßstab, dann erzeuge ich künstlich diese Umwelt und schaue, welche Organismen unter genau diesen Bedingungen leben können. Dadurch, dass ich die Lebensbedingungen erzeuge und auch gleichbleibend aufrechterhalte, indem ich immer wieder die entsprechenden Bedingungen in meiner unnatürlichen Welt „erschaffe“, können in letzter Konsequenz nur diejenigen überleben, die auf diese Bedingungen spezialisiert sind. Die anderen sterben aus. Ich betreibe exakt nur eine Form der Selektion: stabilisierende Selektion.

Ist es mir dagegen wichtig einen Organismus zu züchten, der bestimmte Eigenschaften/ Merkmale besitzt, so pick ich mir diesen heraus und teste, unter welchen äußeren Bedingungen dieser gut wächst und sich vermehrt. In beiden Fällen erhalte ich eine kleine Auswahl aus der Vielzahl an Bakterien der ursprünglichen Masse, die entweder bestimmte Eigenschaften besitzen, oder unter ausgewählten Bedingungen leben können. Damit habe ich meinen „Wunschorganismus“ gefunden, mit dem ich jetzt weiter experimentieren kann. Möchte ich im weiteren Verlauf mit diesen „Wunschorganismen“ arbeiten, so weiß ich nun, was ich tun muss um sie „wachsen zu lassen“.

Wobei wachsen hier auf den Aspekt der Vervielfältigung ausgerichtet ist, wie beim Kopierer. Kontinuierliche Bedingungen, die keinen Spielraum erlauben, bringen viele gleichartige Organismen hervor. Ich nutze diese einheitlichen Bedingungen, um eine homogene „Masse“ zu kultivieren. In diesem Fall bediene ich mich wieder der Gesetzmäßigkeiten der stabilisierenden Selektion. Hierbei gilt es, die künstlichen Bedingungen konstant zu halten. Immer wieder Nahrung bereit zu stellen, wenn sie verbraucht wurde, Stoffwechselausscheidungen zu beseitigen und alle Einflüsse, die der Organismus auch auf seine künstliche Umwelt ausübt zu minimieren.

Ideale Bedingungen heißt: Die Bedürfnisse des Organismus sind gedeckt durch die „künstlich geschaffene Welt“. Angebot und Nachfrage ist dauerhaft in der Waage. Er muss sich um nichts kümmern, es ist für alles gesorgt, er hat keine Verantwortung. Alles ist dem Organismus abgenommen. Ein Zustand, der in der Natur so nicht existiert.

Die Anzahl der Mutationen in solchen Populationen ist gering, das will man auch so. Jetzt denkt man ja zuerst: Super, unter idealen Bedingungen kann alles wachsen und gedeihen. Alles ist gesund. Prinzipiell ja- aber es kann einen Haken haben. Wenn man voreilig 1 und 1 zusammenzählt und glaubt das Ergebnis zu kennen, tappt man in die Falle.

Ähnlich wie der Mensch frönen Bakterien ihres Lebens, wenn alles Friede, Freude Eierkuchen ist. Sind die Bedingungen optimal, liegen sie auf der faulen Haut. Klar sie vermehren sich gut, sehr gut sogar, doch sie bilden nur identische Nachkommen – Klone also.

Biologisch ist das auch einfach erklärt: Sie reagieren damit ganz nach dem physikalischen Gesetz der Trägheit der Masse. Salopp ausgedrückt, wenn keine Notwendigkeit zu bestehen scheint Energie aufzuwenden, so wird es auch nicht getan. Einfach das Duplizieren, was schon da ist, verbraucht am wenigsten Energie. Frei nach dem Motto: „never change a winning system.“

Ein „funktionierendes System“ will sich erhalten, ein Selbsterhaltungstrieb aus der Absicht. Ich nenne es das „es -geht-mir-doch-gut-Syndrom“. Sind die Bedingungen optimal, dann ist die Mutationsbereitschaft nahe Null. Wir haben es hier also mit Mutationsmuffeln zu tun.

Warum soll auch etwas verändert werden? Mutation würde in sich wieder die Gefahr bergen, dass sich etwas ent-wickeln könnte, was nicht in diese Welt passt, das wäre dann ein Konflikt mit der Absicht des Überlebens. Optimal angepasst ist optimal angepasst. Ist kein Impuls da, der eine Mutation notwendig macht, also weiter so wie bisher – Klone. Die Absicht des Überlebens ist gelebt – was will man mehr? Kein Impuls – ausruhen, es gibt gerade nix zu tun, einfach genießen, Wellness ist angesagt. Aber – das ist keine Evolution. Klone sind keine Evolution. Hält zu viel Wellness die Evolution auf?

Unter lang andauernden „optimalen“, einheitlichen Bedingungen kann Evolution verlangsamt werden – in der Masse.

Bei den Bakterien ist Fakt, erst nach einem solchen Wellnessurlaub in der Petrischale sind sie bereit, sich im nächsten Schritt als Leihmutter herzugeben. Wird, auch unter ganz natürlichen Bedingungen, ein starkes Ungleichgewicht zwischen dem Bedarf aus der Absicht und den Gegebenheiten wahrgenommen, schalten Bakterien aktiv ein Enzym ein, das Mutationen entstehen lässt. Im Labor ist das auch die Phase, in der das Bakterium die artfremde DNS (Desoxyribonukleinsäure) einbaut. Damit diese „bereitwillig“ angenommen wird, muss der Veränderungs-Impuls dramatisch sein. Er muss sozusagen das Bakterium eiskalt erwischen.

Als Rezept: Zuerst also Generationen von verwöhnten Bakterien-Klonen kultivieren, dann einen massiven, Trauma-ähnlichen Zustand erzeugen und genau in diesem Moment die artfremde DNS anbieten- zack- überlistet. Dann diesen Ausnahmezustand „sanft“ aufrecht halten, indem man mal Mini-Erholung anbietet, mal wieder in den Mangel schießt – scheibchenweise – damit das Bakterium den Irrtum nicht bemerkt. Schon „arbeitet“ E-Coli für mich. Zuckerbrot und Peitsche…..

Durch das Erschaffen von gezielten Bedingungen kann im Labor Ent-wicklung, also Evolution gesteuert werden: Eine impulslose Umgebung manifestiert Klone und Stagnation, vielfältige Impulse fördern Evolution und steuern in Richtung Potential-ent-Faltung. Je nachdem, was mein Experiment benötigt, kann ich durch die Bedingungen, die ich erzeuge, entweder Klone oder Mutationen, Stagnation oder Evolution hervorrufen. Dabei kann man sagen: Klone sind berechenbar, denn sie haben alle die gleichen Bedürfnisse. Sobald ich herausgefunden habe, wie sie „ticken“, weiß ich es für die gesamte Population in meiner Petrischale.

Dagegen sind Mutationen unberechenbar. Ihre Bedürfnisse und Reaktionen können nie verlässlich vorhergesagt werden, auch nicht von Analyse-Programmen. Keiner weiß was sie gerade am ent-wickeln sind und ob mir das, als Laborleiter, in meine Vorstellung hineinpasst.

 Konkreter ausgedrückt: Nur mit Klonen kann ich ein bestimmtes Ergebnis verifizieren

Deine Stefanie

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